Lautes Stimmengewirr beherrschte die Gaststube. Die rauchgeschwängerte
Luft war zum schneiden dick, und es muss ein guter Tag für den Gastwirt
sein, denn alle Tische waren gut besetzt. An einem Tisch sassen sogar ein
paar braungekleidete Zwerge, die schon mehrere Krüge Braunbier vor
sich stehen hatten und offenbar schon länger in der „eiligen Schnecke"
verweilten. Taulin sah sich um. An einem Tisch saß ein einzelner
Zauberer, prächtig gewandtet in eine dunkelblaue Robe. Doch dorthin
wollte sich Taulin nicht setzten - die unmittelbare Nähe von Zauberern
ist immer unheimlich. Er liess seinen Blick weiter schweifen und dort in
der Ecke, in der Nähe der Schänke, erspähte er, dass noch
ein Plätzchen für ihn frei wäre.
„Herr Wirt, bring’ mir einen Krug Braunbier. Ich werde mich dorthin
zu den Waldläufern setzen". Mit diesen Worten durchquerte er die Wirtsstube
und setzte sich an den Tisch, an dem bereits zwei große Menschen
in der Kleidung der Waldläufer sassen. Taulin wandt sich an die Menschen:
„Guten Tag, ihr Menschen. Ich hoffe, ihr erlaubt mir, mich an eurem Tisch
niederzulassen. Ich bin Taulin und erst heute angekommen. Ein Schluck Braunbier
wird mich sicher stärken. Euch werde ich versuchen nicht zu stören."
Die Aufgabe der Waldläufer ist es, das Land zu kontrollieren, Aktivitäten der Nachtalben zu verfolgen und einfach Augen und Ohren offenhalten, was denn so in Cammuoria passiert. Deshalb sind sie oft tagelang unterwegs, durchstreifen die Wälder und Gebirge - und sind dadurch meist sehr gut informiert. „Von dem Aufruhr, den ich selbst unter den Nachtalben angerichtet habe, können die beiden eigentlich nichts wissen, wenn sie bei der Flusshöhe unterwegs waren" dachte sich Taulin, setzte sich zu den beiden und nahm von dem Krug, den der Wirt gerade brachte, erst einmal einen tiefen Schluck. Er wischte sich den Schaum von den Lippen, stellte den Krug auf der blankgescheuerten Tischplatte ab und meinte zu Asbin: „Na, dann haben wir ja alle einen langen Weg hinter uns. Habt ihr ein paar Geschichten, die wir austauschen können ? Wie geht’s denn so auf der Flusshöhe ?" Asbin blicke ihn nachdenklich an. „Tja, ich kenne wohl die Vorliebe von euch Elfen immer eine Geschichte zu erzählen oder zu hören. Aber es sind schlechte Zeiten. Wir machen uns in Moment eher Sorgen. Die Nachtalben rotten sich zu immer größeren Gruppen zusammen. Das war auch der Grund für unseren Gang zur Flusshöhe. Wir Waldläufer müssen inzwischen schon zu zweit gehen - der Sicherheit willen. Wenn Du mich fragst, dann braut sich im dunklen Land wieder etwas zusammen. Die Zwerge sind auch schon unruhig - der Beobachtungsposten im Westen der Eisenberge meldet seltsame Sachen. Du siehst, es sind dunkle Zeiten - keine Zeiten für fröhliche Geschichten. Wir haben eben besprochen, was wir berichten werden über unseren Gang. Morgen findet eine große Ratsversammlung statt, der König wird auch anwesend sein. Vielleicht wird dann einiges klarer." Das Fenster hinter Taulin war leicht geöffnet, und als er sich mit Asbin unterhielt, flog eine blaue Feuerechse auf den Fenstersims, stupste mit dem Kopf den Fensterflügel solange an, bis der Spalt gross genug war, um hindurchzuschlüpfen. Das Tier fiepte kurz, spreizte seine lederartigen kobaldblauen Flügen und flog erst einmal eine Runde unter der Decke des Gasthauses entlang. Es ist in Tar’ Ant nichts ungewöhnliches, dass Feuerechsen auch in Häuser fliegen. Sie werden von Menschen gerne als eine Art Haustiere gehalten, um Botschaften zu überbringen, die auf Pergament geschrieben in kleinen Lederbeuteln um den schuppigen Hals der Feuerechsen gehängt werden. Sie sind geschickte und schnelle Flieger, kommen aber immer wieder zu dem zurück, der sie aufgezogen hat. Um so überraschter war Taulin, als sich die Feuerechse nach ihrem Rundflug auf seiner Schulter niederließ, ihn mit großen schwarzglänzenden Augen kurz anblickte. Ein kaum hörbares - und dennoch zugegeben zufrieden klingendes - fauchen gab das Tierchen noch von sich und machte dann Anstalten, es sich auf seiner Schulter bequem zu machen. Taulin war sprachlos. Und das geschah bei Elfen äußerst selten.
Elfen hielten auch keine Feuerdrachen. Er nahm mit der Hand den Kopf der
Echse hoch und untersuchte noch einmal gründlich den Hals - da war
keine Botschaft. Wer hätte ihm auch eine senden sollen ? Eldo wandt
sich an ihn: „Eueren Freund habt ihr uns aber verschwiegen. Ich dachte,
Elfen besitzen keine Feuerechsen. Naja, es sind wirklich seltsame Zeiten."
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(C) by Claus Meurer